von Falkenstein, Berchtold (-10.06.1272) (Personen\St.Gallen, Äbte)

 

Grunddaten

ThesaurusPersonen
Bezeichnungvon Falkenstein, Berchtold
Beschreibung
QuelleRudolf HENGGELER, Professbuch der fürstlichen Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1930 (Monasticon-Benedictinum Helvetiae 1).
 

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Todesdatum:10.06.1272
Biographie:Regierte vom 25. November 1244 bis zu seinem Tode, am 10. Juni 1272.

Am gleichen Tage noch, da Abt Walter seinen Mönchen die Vollmacht zu einer Neuwahl ausstellte – wahrscheinlich ohne diese abzuwarten – wählte das Kapitel am 25. November 1244 den bisherigen Pförtner, Berchtold von Falkenstein, zum Abte. Dieser gehörte dem damals mächtigen Geschlechte der Freiherren von Falkenstein an, dessen Stammburg im Schiltachtale bei Schramberg, Oberamt Oberndorf, Württemberg, liegt. Sein Vater war Eigelwart, die Mutter Junta war eine von Bussnang, wohl die Schwester des Abtes Konrad von Bussnang. Über das Vorleben Berchtolds erfahren wir weiter nichts, als dass er Portarius war.

Schon die Anfänge seiner Regierung gestalteten sich kriegerisch. Die Besetzung Wils durch die Toggenburger, die noch unter seinem Vorgänger erfolgt war, konnte er nicht ohne weiteres hingehen lassen. Mit einem ansehnlichen Heere, verstärkt durch die Beizüge des Bischofs Heinrich von Konstanz, Hartmann d. Ae. von Kyburg u. a. legte sich der Abt vor Wil, das nach fünfwöchentlicher Belagerung sich anfangs 1245 übergeben musste. Es kam zu einer Verständigung mit Kraft I. von Toggenburg, den er durch eine Heirat mit Elisabeth von Bussnang noch enger an sich zu knüpfen hoffte. Jedoch bald ergaben sich mit dem Toggenburger Herrn neue Verwicklungen wegen der Veste Iberg, die Heinrich von Iberg, ein St.Galler Dienstmann, erbaut hatte. Kraft wusste sich hinterlistiger Weise in den Besitz dieses wichtigen Postens zu bringen. Heinrich, der der Gefangenschaft entrinnen konnte, übergab seinen Besitz dem Abt von St.Gallen gegen anderweitige Entschädigung. Berchtold verlangte nun die Burg von Kraft heraus. Da dieser die Herausgabe verweigerte, kam es zum Kriege. Der Abt erbaute zunächst Iberg gegenüber den festen Turm Bärenfels (vor 1254).

Im Reiche hatten sich unterdessen grosse Dinge vollzogen. Friedrich II., 1239 zum zweiten und 1245 zum dritten Male gebannt, hatte sich im Kampfe mit dem Papsttum aufgerieben und war 1250 gestorben. In Deutschland vertrat immer noch Konrad IV. die Interessen des staufischen Hauses, so gut er vermochte. Abt Berchtold erkannte mit scharfem Blick die Lage und schwenkte von der kaiserlichen Politik seiner Vorgänger zur päpstlichen ab. Es war wohl 1246, als in St.Gallen gegen Friedrich ein Kreuzzug gepredigt wurde. Obwohl das Volk zum Kaiser hielt, trat doch Berchtold auf des Papstes Seite und bewirkte einen vollen Umschwung der Stimmung; ja er führte wohl selbst dem Papste Hilfstruppen zu. Zum Lohne für seine Bemühungen um die päpstliche Sache flossen die Gunstbezeugungen von Seite Innozenz' IV. besonders in den Jahren 1247 und 1248 fast überreich nach St.Gallen. Berchtold erhielt für sich und seine Nachfolger das Recht der Pontifikalien, die Vollmacht, Kelche u. a. zu weihen, die niedern Weihen zu erteilen usw. Allein aus dem Pontifikate Innozenz' IV. (1243-1254) sind gut 50 päpstliche Erlasse, die St.Gallen und seinen Abt beschlagen, erhalten. Auch für seine Verwandten erwirkte Berchtold geistliche Pfründen und Dispensen usw., so dass nicht weniger als 13 Provisionsbriefe aus den Jahren 1246-1251 vorliegen. Sogar für seinen Nachfolger wollte der Abt zum vornherein sorgen; denn am 20. Februar 1251 erteilte der Papst dem Strassburger Archidiakon, Eberhard von Sulz, den Auftrag, nach einem allfälligen Tode Berchtolds für die Wahl von dessen Vetter, Propst Albert von Ramstein, zu sorgen und dies ungeachtet allfälliger st.gallischer Privilegien. Aber auch darin kam Rom dem Abte entgegen, indem es ihm erlaubte, Mittel zur Tilgung der Schulden aus kirchlichen Pfründen und Besitzungen flüssig zu machen. Für die Feste der hl. Gallus und Otmar wurden neue Ablässe bewilligt.

Innozenz suchte auch die treuen Dienste des immer mächtiger werdenden Abtes dadurch zu belohnen, dass er ihm im Juni 1248 den Bischofssitz von Basel verschaffen wollte, was aber nicht gelang. Alsdann sollte er im Oktober 1248 die Churer Kirche erhalten, deren Bischof, Volkhart, kaiserlich gesinnt war; aber dieser wusste seine gefährdete Stellung zu sichern. Nun wurden Berchtold Aussichten auf Konstanz gemacht (1252 und früher) , die aber ebensowenig in Erfüllung gehen sollten. In Konstanz war seit 1248 Eberhard II. von Waldburg Bischof. Mit diesem ergaben sich bald Differenzen. Sein Vorgänger, Heinrich I., hatte vom Papste die Verwaltung des Stiftes Rheinau erlangt, das in einer sehr misslichen Lage sich befand, hauptsächlich infolge der Bedrückung durch die Krenkinger, die Vögte des Gotteshauses. Nun gelang es Berchtold nach dem Tode Heinrichs, die Abtei Rheinau an sich zu bringen (7. September 1248). Darüber war Eberhard II. sehr erbost. Rom hatte grosse Mühe, dem St.Galler Abt Rheinau zu sichern, in dessen Besitz er erst am 1. Juli 1250 gelangte.

Bald kamen neue Zwistigkeiten mit Konstanz wegen Kompetenzstreitigkeiten über Strafgelder und Pfründenbesetzungen. Da Rom sich beide Teile günstig gestimmt erhalten wollte und nach beiden Seiten mit Gunsterweisen nicht kargte, stieg die Eifersucht des Konstanzer Bischofs immer mehr. Er vermutet – und wohl nicht mit Unrecht – dass Berchtold darauf ausgehe, sein Gebiet der Konstanzer Jurisdiktion immer mehr zu entziehen. Als kein anderes Mittel zu helfen schien, rüstete Eberhard zum Kriege. Auch Berchtold tat es, gelangte aber zugleich klagend nach Rom. Innozenz IV. forderte daher am 31. März 1251 den Abt von Salem auf, jede Fehde im Namen des Papstes zu verhüten, und schon am folgenden Tage entschied Innozenz die ganze Angelegenheit zu Gunsten des St.Galler Abtes. Darüber war aber Eberhard erst recht erzürnt; er schleuderte Interdikt und Bann gegen St.Gallen. Als man dort sich nicht um das kümmerte – gestützt auf päpstliche Privilegien – griff Eberhard zu den Waffen. Er fand in Kraft von Toggenburg, der noch immer mit Berchtold wegen Iberg haderte, einen Bundesgenossen. Sogar im Dekan von St.Gallen, Mangold, erstand ihm ein Helfer, der die St.Galler Kirchenschätze teils nach Konstanz schleppte, teils verkaufte. Zunächst wurde durch Eberhard das Sankt Galler Gebiet bis Herisau verwüstet. Dann aber rückte Berchtold aus, der in Hartmann d. Ae. von Kyburg und im Grafen Rudolf von Rapperswil treue Bundesgenossen fand. Die Äbtischen verwüsteten nun den Thurgau; soweit er Konstanzer Besitz war, und zogen vor Konstanz. Zur Verteidigung der äbtischen Lande hatte Berchtold Söldner aus Uri und Schwyz geworben. Eine Entscheidungsschlacht sollte bei Bischofszell fallen, aber im letzten Augenblick gelang es, einen Waffenstillstand herbeizuführen (1252). Freilich, bald wäre der Streit von neuem aufgelodert, da Bischof Eberhard den St.Galler Werkdekan, der den Cölibat verletzt hatte, vor sein Gericht forderte. Schon rüstete der Abt; da stand der Bischof von seiner Forderung ab. Wegen der Lossprechung der im Laufe des Handels mit Bann und Excommunication Belegten zogen sich freilich die Verhandlungen noch lange hin. Auch Rom griff wieder ein und bemühte sich um eine endgültige Beilegung, was schliesslich auch – zu St.Gallens Gunsten – gelang. Es sollte aber dies noch nicht der letzte Handel mit Konstanz sein.

Auch in einem gleichzeitigen Streithandel wegen der Burg Rheineck – die schon früher einen Zankapfel zwischen Konstanz und St.Gallen gebildet hatte – griff Rom – hier freilich zu Ungunsten des Abtes – ein (20. Juni 1254). Kurz vor seinem Tode versicherte aber Innozenz IV. dem Abte noch, am 14. Juli 1254, dass durch all das Vorgefallene den Rechten und Freiheiten des Gotteshauses kein Eintrag geschehen solle. Berchtold ging als Sieger aus dem langen Ringen hervor; er war in seinem Gebiete auch in kirchlicher Hinsicht ziemlich unumschränkter Herr; die Abtei Rheinau hatte er behauptet, und selbst bei einer allfälligen Erledigung von Konstanz hatte er gute Aussichten. Mit Eberhard von Konstanz gestalteten sich später die Beziehungen recht gut, nur die Reichenauer Angelegenheit (s. u.) brachte noch eine vorübergehende Trübung dieses Verhältnisses. Berchtold half dem Bischof sogar in seinen Streitigkeiten mit den Bürgern von Konstanz und erwirkte einen für den Bischof vorteilhaften Vergleich (29. November 1255).

Mit Innozenz IV., der am 7. Dezember 1254 starb, verlor Berchtold einen überaus grossen Gönner. Dessen Nachfolger Alexander IV. mischte sich nicht in die deutschen Verhältnisse ein, die sich immer verworrener gestalteten. Konrad IV. war nach 1252 nach Italien gezogen, um dort seinem Hause noch zu retten, was zu retten war. Er starb aber schon 1254, und zwei Jahre später folgte ihm sein Gegenkönig, Wilhelm von Holland. Nun kam es 1257 in Deutschland zu einer zwiespältigen Königswahl. Die einen wählten Richard von Cornwallis, die andern Alfons von Kastilien. In Berchtolds Politik vollzog sich nun ein Umschwung. Er schloss sich zunächst der Partei des Spaniers und damit der der Staufen an; denn dieser war der Sohn einer Tochter des ermordeten Philipp von Schwaben. Mit dem Erzbischof von Trier und Bischof Eberhard von Konstanz machte sich auch Berchtold im Sommer 1257 auf nach Spanien, um Alfons die Wahl anzuzeigen. Freilich sollten die auf den Kastilier gesetzten Hoffnungen sich in keiner Weise erfüllen.

Trotz dieser Abschwenkung auf Seite der Staufer erfreute sich Berchtold doch der Gunst Alexanders IV.; denn dieser übertrug ihm am 6. Februar 1258 die Verwaltung der Abtei Reichenau. Dieses einst so blühende Kloster war durch die Misswirtschaft seiner Äbte völlig heruntergekommen. Abt Burkhard von Hewen wurde so in die Enge getrieben, dass er selber dem Papste nahelegte, der St.Galler Abt sei der einzige und rechte Mann, um sein Stift vom Ruine zu retten. Dieser Schritt geschah übrigens wohl im Einvernehmen mit Berchtold und aus Abneigung gegen Eberhard von Konstanz. Dieser glaubte sich denn auch sofort in seinen Rechten als Diözesanbischof gekränkt und berichtete an die päpstliche Kurie, Burkhards Bericht sei reine Erfindung. Rom beauftragte nun den Abt von Einsiedeln, Anselm von Schwanden, mit dem Untersuche. Einen solchen wollte aber Eberhard keineswegs abwarten. Er besetzte kurzerhand die Insel mit bewaffneter Hand. Auf dies hin beauftragte Alexander unverzüglich den Archidiakon von Strassburg, Eberhard von Sulz, zu sorgen, dass Abt Berchtold die Abtei erhalte. Dieser hatte aber bereits ebenfalls zu den Waffen gegriffen und die Feste Mägdeberg im Hegau besetzt. Durch den Dekan der Reichenau, der auf seiner Seite stund, liess er auch die Reichenauer Güter um Ulm beschlagnahmen. Bischof Eberhard aber wich einem Kampfe aus. Unterdessen trat Abt Burkhard von der Abtei zurück und behielt sich nur die Propstei vor, so dass die Abtei also völlig erledigt war. Berchtold, der nun wohl einsah, dass er zu den zwei Abteien, die er bereits in Händen hatte, nicht noch eine dritte erhalten könne, liess sich bereden, für die Reichenau seinen Konventualen und Vetter, Albrecht von Ramstein, Propst und Pförtner in St.Gallen, vorzuschlagen. Da dieser – den er, wie wir sahen, schon 1251 sich als Nachfolger für St.Gallen gewünscht hatte – ihm treu ergeben war, konnte er hoffen, auf diesem Wege faktisch doch der Herr des Inselklosters zu werden. Das fürchtete aber offenbar auch Eberhard und setzte seinen Widerstand fort. Der Papst berief nun beide Parteien vor sich nach Viterbo, wohin Eberhard mit kleinem geistlichen Gefolge zog, während der St.Galler Abt mit einem glänzenden Gefolge von Rittern anrückte. Dem Papste gelang es, die beiden Gegner zu versöhnen. Albrecht von Ramstein erhielt die Abtei, der er von 1260 bis 1294 vorstand; daneben behielt er das Pförtneramt in St.Gallen bei, dessen Einkünfte er offenbar gut brauchen konnte. Fürderhin blieben Eberhard und Berchtold nun gute Freunde; ja Eberhard suchte sogar nach Berchtolds Tod (1272), den er um zwei Jahre überlebte, Heinrich von Wartenberg, einem Verwandten Berchtolds, in den Besitz der St.Galler Abtei zu verhelfen.

Wenn nun auch nach dieser Seite hin Friede herrschte, so stand doch der fehdelustige Abt bald wieder mitten in einem Streite drinnen. Das bevorstehende Aussterben der Kyburger gab noch zu Lebzeiten der beiden letzten männlichen Träger des Namens, Hartmann des Ältern und Jüngern, Anlass zu Reibereien. Hartmann der Ältere hatte, um die Ansprüche seiner Gattin sicher zu stellen, Bischof Eberhard von Konstanz und Abt Berchtold sich verpflichtet, indem er ihnen die Stadt Diessenhofen versprach. Schon hatten sich die Beiden über die Teilung des versprochenen Besitzes geeinigt, als unter den Erben eine Einigung erzielt wurde. Dafür hoffte nun Berchtold Winterthur zu bekommen, indem er seinem Vetter, Walter von Geroldseck, Bischof von Strassburg, zu Hilfe eilte. Hartmann der Ältere hatte nämlich, um seiner Gemahlin den Schutz dieses mächtigen Mannes zu sichern, seinen sämtlichen Besitz von der Kirche in Strassburg zu Lehen genommen. Aus diesen Besitzungen hoffte nun Berchtold, da ihm offenbar Walter solche Zusicherungen machte, Winterthur zu erhalten. Allein der Strassburger Bischof zog den kürzern und starb überdies zwei Jahre vor Hartmann dem Älteren. Als dann Hartmann der Ältere am 27. November 1264 starb – der jüngere war schon vor ihm gestorben – griff der nächste männliche Verwandte, Rudolf von Habsburg, zu, da ihm das Erbe mit gewissen Ausnahmen zugesichert worden war. In diesen Ausnahmen waren auch die st.gallischen Lehen inbegriffen, die der Gemahlin Hartmanns zufallen sollten. Aber Rudolf nahm gleich alles zu Handen. Ein neuer Krieg stand bevor, da sich Abt Berchtold seine Rechte nicht verkümmern lassen wollte. Aber da Rudolf sich nach allen Seiten zu wehren hatte, verständigte er sich mit Berchtold, der in der Folge mithalf, eine Aussöhnung mit den andern Gegnern, der Witwe Hartmanns und den Savoyer Herren herbeizuführen. Er übertrug dann 1271 alle st.gallischen Mannslehen an den Habsburger. Schon vorher finden wir Berchtold auf der Seite des immer mächtiger werdenden Habsburger Grafen. Er half nämlich diesem und dessen Vetter Hugo I. von Werdenberg gegen den Grafen Rudolf I. von Montfort-Feldkirch. Ebenso zog er 1271 Rudolf zu Hilfe, als dieser in einer Fehde mit Bischof Heinrich von Basel lag. Letzterer hatte überdies auch Berchtold persönlich gereizt, indem er den Wein wegnahm, den Berchtold, der glänzenden Hof hielt und auf Pfingsten eine grosse Ritterversammlung abhalten wollte , bestellt hatte. Allein bei Säckingen kam es zu einer Vermittlung zwischen Bischof und Abt, und Berchtold zog heim, so ungern es der Habsburger auch sehen mochte.

Auch als die Rapperswiler Grafen auszusterben schienen – Graf Rudolf von Rapperswil, der am 28. Juli 1262 starb, erhielt erst nach seinem Tode in Rudolf Posthumus einen Erben – wollte Abt Berchtold sich St.Gallens Rechte nicht verkümmern lassen und die st.gallischen Lehen, die die Rapperswiler inne hatten, einziehen. Dagegen erhob sich aber der nächste männliche Erbe, Walter V. von Vaz. Berchtolds Truppen, die in die March einrückten, zogen den kürzern. Erst 1284, als auch Rudolf Posthumus starb, kamen die Lehen an St.Gallen zurück, und Abt Wilhelm gab sie den Söhnen Rudolfs von Habsburg.

Bedenkt man diese vielen Streithändel, in die Berchtold eingriff, so muss man sich umsomehr wundern, zu sehen, dass Berchtold daneben für sein Gotteshaus treu besorgt war, dessen ökonomische Lage hob und verbesserte. Als Ulrich von Singenberg starb, gelang es ihm, die Burg Singenberg (bei Sitterdorf, Thurgau), die st.gallisches Lehen war, an sich zu bringen. Da zwei andere st.gallische Lehenträger, die Herren von Grimmenstein und Mammertshofen, im Streite Berchtolds mit Konstanz zu dem Feinde gehalten hatten, zwang er sie, ihre Burgen, die Schildlehen waren – also nach dem Aussterben des Geschlechtes an die nächsten Erben und nicht an den Lehensherrn fielen – von ihm als Burglehen zu empfangen, wonach sie beim Aussterben des Geschlechtes an das Gotteshaus fallen mussten und der Abt überhaupt jederzeit eine Besatzung hineinlegen konnte. Wie Singenberg, so bildete Mammertshofen (bei Roggwil) einen wichtigen Punkt gegenüber Konstanz, während der Besitz von Grimmenstein für die Beherrschung des Rheintals (s. u.) sehr wichtig ward. Im Thurgau brachte der Abt auch die Burg Hagenwil (bei Amriswil) an das Gotteshaus. Durch den Tod Heinrichs von Ravensburg wurden nach 1265 bedeutende st.gallische Lehen jenseits des Bodensees frei, u. a. auch die Feste Neu-Ravensburg, deren Burghut Abt Berchtold dem Ritter Rudolf von Rorschach übergab. Im Verein mit Bischof Eberhard von Konstanz wahrte Berchtold auch die übrigen Ansprüche der Abtei den Erben gegenüber.

Ebenso suchte Berchtold die Vogtei über die Herrschaft Grüningen, die die Herren von Regensberg als st.gallisches Lehen inne hatten, zurückzugewinnen. Es kam aber zu Differenzen wegen der Kaufsumme, die erst unter Berchtolds Nachfolger gehoben wurden, der die Vogtei an König Rudolf verkaufen musste.

Zur Sicherung der st.gallischen Besitzungen im Rheintale, die durch die Herren von Montfort und Werdenberg stets etwas gefährdet waren, diente nicht nur die oben erwähnte Gewinnung der Burg Grimmenstein, sondern Abt Berchtold liess auch bei Meldegg die Feste Heldsberg bauen; ebenso brachte er die Burg Hausen bei Bernegg an das Kloster und baute zwischen dieser und der Feste Bernegg den festen Turm Stättenberg. Zur Sicherung des Reichshofes Kriessern liess er die Burg Blatten errichten. – Die Toggenburger Grafen sahen sich 1271 gezwungen, ihm das Städtchen Lichtensteig zu verpfänden. Eine Fehde zwischen Walter von Elgg und Eberhard von Bichelsee, in die Berchtold ebenfalls eingriff, brachte allerdings den erhofften Gewinn nicht. In einer andern, zwischen Bischof Eberhard von Konstanz und den Schenken von Schmalnegg und Winterstetten, gelang es Berchtold, die Parteien zu versöhnen.

Daneben war Berchtold bestrebt, durch kluge Verwaltung der Güter, Erstellung von neuen Einkünftrodeln, genaue Aufsicht bei Handänderungen der Ministerialen, den Stand der Abtei zu heben und ihre Rechte ungeschmälert zu erhalten. Durch Kauf und Verkauf, Tausch und Belehnungen, Verpfändungen und Erwerbungen wusste er die Kasse der Abtei immer wieder zu füllen. Freilich brachten gerade diese Bestrebungen ihn in Konflikt mit seinen Untergebenen. Diese taten sich sogar heimlich zusammen, und die Gotteshausleute von St.Gallen, Wil, Grüningen, Appenzell, Hundwil, selbst von Wangen gelobten sich eidlich, einander gegen den Abt beizustehen, wenn er von seinen Bedrückungen nicht ablasse. Doch wagten sie nicht zu offenem Aufruhr zu schreiten, solange der gewaltige Mann lebte. Erst unter seinem Nachfolger brach die lange verhaltene Wut los.

So hatte sich Berchtold neben dem ihm nun engbefreundeten Bischof Eberhard von Konstanz in der «kaiserlosen, der schrecklichen Zeit» zu einem der mächtigsten Herren in der Ostschweiz und im Bodenseegebiet aufgeschwungen. Wer in Ruhe leben wollte, stellte sich unter seinen Schutz, so 1271 die Stadt Lindau, in der Berchtold aber so streng waltete, dass die Bürger ihn sogar gefangen setzten. Nur gegen Zusicherung eines 10-jährigen Friedens ward er wieder frei.

In die Reichspolitik hatte übrigens Berchtold nicht mehr wichtig eingegriffen; denn eine solche gab es beinahe nicht mehr. Von Alfons von Kastilien wandte er sich allerdings ab; denn dieser kam überhaupt nie nach Deutschland und erfüllte so die auf ihn gesetzten Hoffnungen seiner Parteigänger in keiner Weise. Darum wandte sich Berchtold dem Sohne Konrads IV., Konradin, zu, der am 27. September 1262 mit dem ihm engbefreundeten Bischof Eberhard sogar nach St.Gallen kam, wo man ihn festlich empfing, obwohl der Papst sich gegen ihn erklärt hatte. Beide Prälaten treffen wir 1264 am Hofe Konradins in Augsburg, ebenso nochmals im Oktober 1266, als der junge Herrscher seine Vorbereitungen zu dem für ihn so verhängnisvollen Italienzug traf.

Seinem Konvente war Abt Berchtold ein strenger Herr; selbst gegen verwandte Konventualen schritt er unnachsichtlich ein. Die Zahl der Klostermitglieder war übrigens schon unter ihm nicht mehr gross, und das gemeinsame Leben hatte beinahe aufgehört; denn die einzelnen Klosterämter waren zu Pfründen geworden und jeder dieser Pfründner hatte sein eigenes Haus. Gelegentlich hat Abt Berchtold auch für kirchliche Stellen gesorgt. Für sich und seine Eltern und Geschwister stiftete er Jahrzeiten (s.o.). In seinem Testamente gedachte er vieler armer Klöster und wohltätiger Anstalten, wie er auch in seinem Lehen zu manchen Klöstern – so zu Magdenau , Feldbach , Tännikon , am Brüehl , Töss , Wurmspach , St.Katharinenthal , Rüti – enge Beziehungen unterhalten hatte. Auch das Klösterlein Massin, das ein jahrhundertalter Besitz Sankt Gallens in der Lombardei bildete, trat unter ihm wieder in engere Verbindung zu St.Gallen.

Bei den vielen Beziehungen und Geschäften dieses Abtes ist es nicht zu verwundern, dass wir eine grössere Zahl von Urkunden haben, die seine Regierung beschlagen.

Abt Berchtold war indessen auf die Jahre gekommen. Dazu plagte ihn ein böses Geschwür an einem Beine. Bei einem getreuen Dienstmann suchte er auf Rosenberg bei Herisau Erholung; von 70 Rittern umgeben feierte er daselbst 1271 Weihnachten. Dann kehrte er nach St.Gallen zurück; auf dem Wege traf ihn auf der Sitterbrücke ein Schwächeanfall. Seine Wunde wurde tagtäglich für ihn und seine Umgebung unerträglicher, die den vor kurzem noch so mächtigen Mann sich selbst und ein paar armen Knechten und Frauen überliess. Aber auch in seinen letzten Tagen zeigte sich Berchtold als umsichtiger Mann. Er machte sein Testament und legte über den Stand der Abtei genaue Rechenschaft ab. Diese besass damals 1400 Mark Silber (über 60'000 Fr.) Einkünfte, dazu nur wenig Schulden; überdies konnte er seinem Nachfolger noch eine grössere Summe in bar und einen reichen Kirchenschatz zurücklassen. Am 10. Juni 1272 wurde Berchtold endlich von seinen Leiden erlöst. In eine Bettdecke gehüllt, schleppte man den Toten – dessen schmerzvollen Tod das Landvolk als eine Strafe Gottes betrachtete – über die Stiege hinunter und begrub ihn. Zum Totengottesdienst erschien fast niemand, dagegen jauchzten die Appenzeller durch die Stadt, dass ihr Bedränger gestorben sei. Der Löwe war eben tot. Berchtold hatte 27 Jahre, 6 Monate, 2 Wochen und 2 Tage regiert.