Rösch, Ulrich (04.07.1426-13.03.1491) (Personen\St.Gallen, Äbte)

 

Grunddaten

ThesaurusPersonen
BezeichnungRösch, Ulrich
Beschreibung
QuelleRudolf HENGGELER, Professbuch der fürstlichen Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1930 (Monasticon-Benedictinum Helvetiae 1).
 

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Identifikationsbereich

Synonyme:Ulrich Rösch von Wangen

Informationsbereich

Geburtsdatum:04.07.1426
Todesdatum:13.03.1491
Biographie:Regierte von 1463 bis zu seinem Tode, am 13. März 1491.

Ulrich Rösch, der zunächst Pfleger des Gotteshauses wurde, war am 4. Juli 1426 zu Wangen im Allgäu, einer Stadt, die von alters her mit dem Stifte sehr eng verbunden war, als Sohn eines Bäckers geboren worden. Er kam früh nach St.Gallen als Küchenjunge. Abt Eglolf nahm den aufgeweckten Knaben in die von ihm neuerrichtete Klosterschule auf. Zwischen 1440 und 1445 trat er ins Kloster ein. Schon 1451 finden wir ihn als Grosskeller; bereits damals wurde ihm ein erstes Mal die Verwaltung der Abtei übertragen. Die nun folgenden Vorgänge haben wir eben kennen gelernt (sihe von Breitenlandenberg, Kaspar). Seit 1457 verwaltete Ulrich wieder die Abtei, auf die aber Abt Kaspar erst kurz vor seinem Tode verzichtete. Mit diesem Verzichte machte sich Ulrich nach Rom auf, nachdem ihm Pius II. schon mit Breve vom 31. Juli 1462, auf Empfehlung der Eidgenossen hin, die Anwartschaft auf die Abtei zugesichert hatte, indem der Papst dem Kapitel die Wahl, dem Abte Kaspar aber eine Resignation, ausser zu Gunsten Ulrichs, verbot. Nun erlangte er ohne Schwierigkeiten die Bestellung zum Nachfolger des abgedankten Abtes. Auf der Heimreise erfuhr er den Tod Kaspars und kehrte nochmals nach Rom zurück, um die Bullen entsprechend umändern zu lassen.

Der Zustand der Abtei war wohl nie so trostlos gewesen wie damals, als Ulrich Rösch diese antrat. Die jährlichen Einkünfte betrugen noch 3000 Gulden, wovon aber 1700 für Zinsen u. a. abgingen, so dass nur 1300 Gulden zur Verfügung standen. Das erste Bestreben des neuen Abtes ging dahin, die Einkünfte zu ordnen und die Schulden zu tilgen. Und da erwies sich Ulrich als ein so vortrefflicher Haushalter, dass man nur staunen kann, wie es ihm möglich wurde, sein Stift in verhältnismässig kurzer Zeit so in die Höhe zu bringen. Vor allem wurden die Einkünfterodel genau revidiert, die Offnungen neu aufgerichtet, die pflichtigen Abgaben, auch wenn sie schon lange nicht mehr entrichtet worden waren, aufs genaueste wieder eingefordert, die Verwaltung und die Hauswirtschaft ward durch neue Verordnungen bis ins einzelne geregelt. Entlegenere Besitzungen wurden veräussert und näher gelegene erworben, wobei ein Hauptaugenmerk auf die Abrundung des Besitzes gerichtet war. «Sparsamkeit und kluge Mässigung, ausserordentlicher Scharfblick für alle Einzelheiten der Ökonomie und peinliche Ordnung in Verwaltungs- und Zinssystem, das sind die Prinzipien, durch welche Abt Ulrich das unmöglich scheinende Werk zustande gebracht hat» (Scheiwiler).

Die folgenden Zusammenstellungen geben einen kleinen Begriff von der Tätigkeit dieses Mannes. Er löste 344 von seinen Vorgängern versetzte Schuldscheine, Gülten und Zehnten um 307'669 Gl. ein. Dazu erwarb er für 63'363 Gl. Getreide- und Geldzehnten, ferner 29 Höfe um 10'590 Gl. und 4 Weinberge um 3500 Gl. Auch erwarb, baute oder restaurierte er 55 Burgen, Schlösser und Häuser um die Summe von 19'677 Gl. Für 50'080 Gl. kaufte er ferner 37 Herrschaften und Gebiete; zwar entging ihm das Rheintal, auf das die Appenzeller ihre Hand legten, dafür konnte er 1468 die Grafschaft Toggenburg um 14'500 Gl. erwerben, die 22 Pfarreien, 3 Klöster und 3 Burgen zählte. Eine Reihe von Pfarrkirchen wurden unter ihm dem Stifte einverleibt. So wurde Abt Ulrich der länderreichste Fürst in der Schweiz drin. Freilich ging das alles nicht ohne Prozesse und Streitigkeiten ab, wenn auch Ulrich nichts anderes tat, als was sein gutes Recht war. Verletzung fremder Rechte lag ihm ferne, wenn auch Feinde und Neider – und an solchen fehlte es nicht – ihn oft schonungslos verleumdeten.

Die reichen Mittel, die er so gewann, brachten es auch mit sich, dass er in politischer Hinsicht mit Kraft und Sicherheit auftreten und besonders an den Eidgenossen sich gute Freunde schaffen konnte. Natürlich brachen die alten Gegensätze mit der Stadt und den Appenzellern umso schärfer hervor, je weniger Abt Ulrich von seinen Rechten abgeben wollte. Schon die Ablegung des Huldigungseides stiess mancherorts auf Schwierigkeiten; aber schliesslich musste man sich überall dem eisernen Willen Ulrichs gegenüber dazu bequemen. Nur die Gotteshausleute im Rheintal wehrten sich bis 1487, wo nach langen Verhandlungen endlich eine Einigung erzielt wurde. Auch mit den Appenzellern setzte es manchen Strauss ab; durch die Vermittlung der Stadt St.Gallen und der Eidgenossen kam aber auch da schliesslich ein Ausgleich zustande.

Am schwierigsten gestalteten sich die Verhältnisse zur Stadt St.Gallen. Die gegenseitigen Rechte usw. griffen so enge ineinander, dass eine reinliche Ausscheidung, wie sie Ulrich anstrebte, fast nicht möglich war. Schon als Pfleger hatte er 1461 der Gerichtsbarkeit halber Anstände. Wegen dem Leinwandhandel, der St.Lorenzenkirche, der Frage eines eigenen Ausgangs durch die Klostermauer ergaben sich später neue Zwistigkeiten. Um seine Stellung zu sichern, ging Abt Ulrich 1479 mit den vier Schirmorten den sogen. Hauptmannschaftsvertrag ein, wonach diese Orte abwechselnd auf je zwei Jahre einen Hauptmann in die Stiftslande schickten, der die Interessen des Gotteshauses wahren sollte. Dadurch verband er sein Gotteshaus noch enger mit den Eidgenossen. Diese entschieden denn auch am 24. August 1480 in Zürich den Handel zwischen Stadt und Kloster. Aber der Entscheid befriedigte keinen von beiden Teilen, am wenigsten den Abt, der weder ein Tor in die Mauer brechen, noch verhindern konnte, dass die Stadt weiterhin Aussenbürger aufnahm.

Abt Ulrich, der sich meist in Wil aufhielt, da er sich in St.Gallen nicht sicher fühlte, beschloss nun, das Kloster von St.Gallen nach Rorschach zu verlegen. Er versicherte sich nicht nur der Zustimmung des Kapitels, sondern auch jener des Kaisers und Papstes. Auch manche der Gotteshausleute waren für den Plan zu haben, dem sich aber, als er greifbare Gestalt annahm, die St.Galler und Appenzeller mit aller Kraft zu widersetzen anfingen. Schon 1484 begannen die Vorbereitungen dazu; doch wurde der Grundstein erst am 21. März 1487 gelegt. Rasch wuchsen die Mauern empor. Schon war die Kirche fertig erstellt und auch das Mauerwerk des Klosters ging der Vollendung entgegen, als die Appenzeller und St.Galler eingriffen. Während die erstern die Nachbarschaft des Abtes wegen dem Rheintal fürchteten, waren die Stadtbürger besorgt, es möchte Rorschach St.Gallen überflügeln. Sie forderten Einstellung der Bauarbeiten, ansonsten sie die schuldigen Gefälle nicht mehr entrichten würden. Natürlich ging Abt Ulrich auf eine solche Forderung nicht ein. Da überfielen am 28. Juli 1489 1200 Appenzeller, 350 St.Galler und 650 Rheintaler, unter Führung des Bürgermeisters Ulrich Farnbüler von St.Gallen und des Landammanns Schwendiner von Appenzell Rorschach. Der Neubau wurde völlig niedergerissen und auch die Ortschaft geplündert. Sogleich wandte sich der Abt an die Schirmorte, denen er in den vorausgehenden Jahren immer treu zur Seite gestanden war. So hatte er ihnen seine Mannschaft 1460 bei der Eroberung des Thurgaus, 1468 beim Waldshuterzug zustossen lassen; auch an den Burgunderkriegen und am Bellenzerzug nahmen sie teil. Die Aufrührer aber suchten durch die übrigen Eidgenossen ein Einschreiten der Schirmorte zu verhindern und entfesselten in den Stiftslanden einen allgemeinen Aufruhr, dem nur Wil und dasToggenburg fern blieben. Auch über dem Bodensee suchten sie Bundesgenossen. Aber Abt Ulrich verlor den Mut nicht. Unentwegt verfolgte er sein Ziel und erreichte, dass die Schirmorte, nachdem alle Unterhandlungen sich zerschlugen, anfangs 1490 zum Kriege rüsteten, der denn auch am 1. Februar begann. Wie aber die Eidgenossen 8000 Mann stark von Wil gegen Gossau vorrückten, da stoben die fast ebenso starken Gegner auseinander. Die Führer des Aufstandes flohen über den Bodensee, die Stiftslande wurden besetzt, und auch die Appenzeller ergaben sich. Nur die Stadt wollte sich halten, musste aber nach kurzer Belagerung sich ebenfalls ergeben. Am 16. Februar konnten die Eidgenossen wieder heimkehren. Beim Friedensschluss in Einsiedeln, am 7. März 1490, wurde die Stadt St.Gallen verhalten, dem Abte 14'000 Gl. zu bezahlen, ferner musste sie einige Besitzungen an die Eidgenossen abtreten und durfte keine Aussenbürger mehr aufnehmen; die Appenzeller mussten das Rheintal den Eidgenossen überlassen, die aus dem ganzen Handel den grössten Vorteil zogen, denn ihr Einfluss in der Ostschweiz war damit ein überwiegender geworden. Auch die Stiftslande selbst kamen dadurch noch mehr in ihre Abhängigkeit, was für die Zukunft von grösster Bedeutung war. Dafür lockerte sich der Zusammenhang mit dem Reiche immer mehr. Wohl hat Ulrich von Friedrich III. die Regalien empfangen, ebenso verschiedene Lehen im Rheintal, am Bodensee und das Toggenburg; ebenso erhielt er auch den Blutbann von ihm zu Wil und Rorschach und für Wil das Recht, einen Jahrmarkt zu halten; aber es waren doch mehr nur formelle Beziehungen. Friedrich III. schätzte Abt Ulrich sehr hoch. Er bedachte ihn mehrfach mit wichtigen Aufträgen, so 1475 bei der Wahl eines Bischofs in Konstanz, 1481 in einem Streite zwischen Herzog Sigmund von Österreich und dem Abt von Kempten, im gleichen Jahre auch in einer Streitsache zwischen dem Grafen von Sulz und dem Bischof von Konstanz. Nicht minder stand er bei den Päpsten in Ansehen, die mit Gnadenerweisen und Privilegien ihm und seinem Stifte gegenüber darum nicht kargten. Sixtus IV. bediente sich seiner als Gesandten bei den Eidgenossen, und auch Innozenz VIII. sicherte sich seine Verwendung bei den Schweizern. Ja, Sixtus IV. trug sich sogar mit dem Gedanken, ihn zum Kardinal zu erheben, was aber der Abt nicht wollte.

Über all den äussern Sorgen vergass jedoch Abt Ulrich das Kloster als solches nicht. Wenn er sich auch keiner der damals blühenden Reformkongregationen anschloss, so sorgte er doch für die Durchführung der für die Mainzer Ordensprovinz aufgestellten Satzungen und Verordnungen. Er hielt streng auf klösterliche Disziplin, so dass schon im zweiten Jahre seiner Regierung zwei Mönche wegen der allzugrossen Strenge austraten. Die 1469 und 1485 vorgenommenen Visitationen fanden im allgemeinen in St.Gallen einen guten Geist. Die Laienbrüder, die unter Abt Kaspar aus dem Brüderhause in das eigentliche Kloster hineingekommen waren, wies er wieder in ihre frühere Wohnung zurück. Sie sollten vor allem Messmerdienste und im Kloster auch den Krankendienst versehen und daneben sich durch ihrer Hände Arbeit, besonders durch Kerzenziehen und Tuchweben den Unterhalt verdienen. Abt Ulrich gebührt das Verdienst, die Wiederherstellung der Klosterzucht glücklich eingeleitet zu haben. Nicht minder war er für die wissenschaftliche Ausbildung der Klostermitglieder besorgt. Er belebte die Klosterschule aufs neue, der Innozenz VIII. im Jahre 1486 die Pfarrei Gossau inkorporierte. Schon als Pfleger sandte er 1458 zwei junge Konventualen auf die Universität Leipzig; später liess er Johannes Bischof, einen der geistig hochstehendsten Männer unter ihm, in Pavia studieren. – Auch die Bibliothek fand an ihm einen verständnisvollen Förderer; er wies ihr jährlich 100 Gulden Einkünfte zu. Mehrere Konventualen betätigten sich schriftstellerisch und bereicherten durch die von ihnen geschriebenen oder durch sie erworbenen Werke die Büchersammlung des Stiftes. Die Kunst förderte er durch die Vollendung des von Abt Kaspar begonnenen Chorbaus, den er reich ausschmücken liess. Auch der Klosterbau in Rorschach war unstreitig ein grosses Verdienst nach dieser Seite, wenn sich auch vom ersten Bau nichts mehr erhalten hat. Den Wiederaufbau, der ihm gestattet worden war, leitete er noch in die Wege. Das in der St.Galler Stiftsbibliothek noch erhaltene Haggenberg'sche Wappenbuch (Mscr. 1084), sowie das in der Einsiedler Stiftsbibliothek aufbewahrte Gebetbuch des Abtes legen mit ihren prächtigen Handmalereien Zeugnis ab für den Kunstsinn ihres Bestellers.

Aber auch für das leibliche und geistige Wohl seiner Untertanen war Abt Ulrich treu besorgt, wie zahlreiche Verordnungen zeigen. Durch Errichtung neuer Pfarreien sorgte er für die religiösen Bedürfnisse des Volkes. Auch den in seinem Gebiete liegenden Klöstern wandte er seine volle Aufmerksamkeit zu.

Die Anstrengungen einer mehr als dreissigjährigen Verwaltung rieben die Kräfte dieses Mannes vor der Zeit auf. Erst 65 Jahre alt starb er am 13. März 1491 zu Wil. Er fand unter grossem Gepränge – auch seitens der Stadt St.Gallen, die lieber den Toten, als den Lebenden ehrte, wie Vadian sagt – seine letzte Ruhestätte im Kreuzgange zu St.Gallen, wo ihm ein schönes Denkmal errichtet wurde, das leider in den Wirren der Reformation zerstört ward. Das Urteil Dierauers ist gewiss zutreffend: «Ulrich war ein Mann von seltenen Geistesgaben, ein geborener Herrscher und scharfsichtiger Politiker, seiner Pflicht mit ganzer Seele hingegeben, unermüdlich in der Arbeit und zähe bis zur Rücksichtslosigkeit, wo es sich um die Rechte und den Vorteil seines Stiftes handelte.» Mit Recht hat man Ulrich VIII. den Wiederhersteller und zweiten Gründer St.Gallens genannt. Freilich geht Vadian zu weit, wenn er meint, die Nachwelt hätte ihn, wenn es möglich gewesen wäre, «zu ainem hailigen gmacht, wie S.Othmarn, und were ain römscher confessor oder bichtiger worden, wie ander klosterhailger mer».
Geographische Angaben:aus Wangen im Allgäu