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Todesdatum: | 18.12.1564 |
Biographie: | Regierte vom 19. September 1530 bis zu seinem Tode, am 18. Dezember 1564.
Nach dem so unerwarteten Tode Abt Kilians versammelten sich die Kapitularen mit kaiserlicher Erlaubnis am 19. September 1530 im Kloster Mehrerau zu einer Neuwahl. Aus dieser ging der vormalige Statthalter in Rorschach, Dekan Diethelm Blarer von Wartensee, der erst 25 Jahre zählte, als Abt hervor. Sein Vater, Junker Hans Jakob Blarer, war Vogt zu Rorschach gewesen, während die Mutter eine Apollonia von Sürgenstein war. Der damalige Abt von Einsiedeln, Ludwig Blarer, war sein Vetter, während der gleichzeitige Abt von Weingarten, Gerwig Blarer, der Linie Gyrsberg angehörte.
Vorerst stand Abt Diethelm der Lage ohnmächtig gegenüber. Da änderte der Ausgang des zweiten Kappelerkrieges die Lage in der Schweiz zu Gunsten der Katholiken. Durch den zweiten Kappelerfrieden vom 16. Oktober 1531 wurden die Reformierten gezwungen, die st.gallischen Lande freizugeben; der Abt sollte wieder zurückkehren dürfen. Dieser erfuhr durch seinen Abgeordneten bei den fünf katholischen Orten, Heinrich Schenklin, in Mehrerau die frohe Kunde. Er begab sich alsbald nach Zug, wo ihm die katholischen Orte am 5. Dezember 1531 versprachen, ihm nach besten Kräften zur Wiedereinsetzung in sein Kloster behilflich sein zu wollen. Der Luzerner Am Ort wurde, nachdem ihn die Zürcher früher (zu Beginn 1531) nicht als Schutzhauptmann zugelassen, neuerlich als solcher abgeordnet. Am 12. Dezember zog Abt Diethelm in Wil ein und nahm schon am 15. zu Gossau und tags darauf zu Lömmliswil die Huldigung entgegen. Aber die Stadt St.Gallen weigerte sich, das Kloster zurückzugeben und für den Schaden, den der Abt auf 60'000 fl. schätzte, aufzukommen. Der Abt klagte darum bei der Tagsatzung, welche die vier Schirmorte, zu denen sich noch Bern und Appenzell gesellten, beauftragte, den Handel zu schlichten. In der Folge wurde die Stadt angehalten, das Kloster zurückzugeben, 10'000 Gulden Schadenersatz zu leisten und die 11'000 Gulden, die sie bereits an die Kaufsumme erlegt hatte, fahren zu lassen. Ende Februar 1532 zog Abt Diethelm wieder in St.Gallen ein.
Schwierig gestaltete sich insbesondere die Wiederherstellung der äbtischen Herrschaft im Toggenburg. Unter dem Einfluss von Schwyz und durch Vermittlung der sieben Orte kam 1532 zunächst eine provisorische Lösung zustande; doch erst am 1. April 1538 wurde der Handel endgültig beigelegt, und verstanden sich die Toggenburger wieder zur Huldigung. Aber auch späterhin setzte es noch ungezählte Reibereien und Streitigkeiten, besonders in Religionssachen ab; denn die Toggenburger sicherten sich das Recht, bei der Neuerung, soweit sie dazu übertraten, verbleiben zu dürfen. Die Alte Landschaft kehrte, teils freiwillig, teils gezwungen wieder zum alten Glauben zurück; einen eigentlichen Zwang übte freilich erst Abt Otmar 1570 aus.
So fehlte es nicht an zahllosen Schwierigkeiten, die der Abt bei Wiederherstellung des Klosters und seiner Rechte zu überwinden hatte. Das Verhältnis zur Stadt gestaltete sich zunächst sehr unfreundlich. Der Umstand, dass diese die Schmalkaldener und die reformierten Städte Konstanz und Lindau unterstützte, gab zu manchen Reibereien Anlass, da der Abt seinen Untertanen jede Anteilnahme verboten hatte. Die Eidgenossen vermittelten am 9. September 1549 einen Vertrag zwischen Stadt und Abtei, der viele strittige Punkte erledigte, dem Kloster aber auch sozusagen jeden Einfluss in der Stadt raubte.
Eine der schlimmsten Folgen der vorgefallenen Unruhen war wohl der revolutionäre Geist, der in die Untertanen gefahren war, und der sich nur schwer beseitigen liess. Durch strenge Sittenmandate suchte Diethelm die verwahrlosten Zustände zu bessern, Ordnung, Sitte und Zucht wieder herzustellen. Zahllose Reibereien setzte es auch ab, als der Abt, um den finanziellen und ökonomischen Stand der Abtei zu sichern, die alten Abgaben und Gefälle wieder eintrieb, die man jahrelang nicht mehr entrichtet hatte. Nur ein zäher Wille vermochte sich da durchzusetzen.
Ein wichtiges Ereignis bedeutete die Einverleibung des Klosters St.Johann im Thurtal. Dieses im 12. Jahrhundert entstandene Benediktinerstift war unter Abt Johannes Steiger dem finanziellen Ruin nahegekommen. Vergebens bemühten sich die Schwyzer, Abt Diethelm und der Bischof von Konstanz um eine Besserung. Der Abt dankte schliesslich ab, und an seine Stelle trat 1535 Konrad Stricker, der womöglich noch schlimmer hauste. Ihm folgte schon 1538 Jakob Zürcher und 1543 Johann Zoller, der erst 18 Jahre alt und noch nicht Priester war. Alles trieb dem vollendeten Ruin entgegen. Nun griffen Schwyz, der Bischof und Abt Diethelm ein; der Abt und seine vier Kapitularen wurden 1545 gefangen gesetzt und erst gegen gewisse Versprechungen wieder freigelassen. Heinrich Sailer, Konventuale von St.Gallen, wurde zum Verweser bestellt; doch liess sich dieser durch die zurückgekehrten Konventualen zum Abte wählen und machte sich so unmöglich. Da die Gläubiger immer dringender auf Bezahlung der Schulden oder dann Versteigerung des Klosterbesitzes drängten, bestellte der Bischof auf Verwenden von Schwyz und Glarus 1549 Abt Diethelm zum Verwalter des Klosters. Die Schulden betrugen damals etwa 40'000 fl., während die jährlichen Einkünfte noch 75 fl. ausmachten. Die bewegliche Habe war längst fast ganz veräussert worden; die Gebäulichkeiten drohten einzustürzen. Von den vier Konventualen lebte noch einer im Kloster, die andern trieben sich als Landstreicher herum.
Abt Diethelm hatte aber wenig Lust, sein Gut für dieses verlotterte Stift zu verwenden und wandte sich deshalb nach Rom, um die Einverleibung der Abtei an St.Gallen zu erlangen. Auch die katholischen Orte verwandten sich dafür, und so nahm Paul IV. am 6. Dezember 1555 die Inkorporation vor. Abt Diethelm, der sich von nun an auch Abt zu St.Johann im Thurtal nannte, löste die noch lebenden Konventualen aus und schickte von seinen Leuten hin. Die Wiederherstellung des klösterlichen Besitzes und geordneter Verhältnisse bereitete nicht geringe Schwierigkeiten, zumal die Gotteshausleute sich den trostlosen Zustand und die schlechte Verwaltung des Klosters nach Kräften zu Nutzen gemacht hatten.
Im eigenen Kloster bahnte Abt Diethelm der Reform wenigstens die Wege, so dass sie unter seinen Nachfolgern sich auswirken konnte. Die Klosterzucht liess freilich unter ihm noch vieles zu wünschen übrig. «Das Kloster St.Gallen bietet unter Abt Diethelm so ziemlich den Anblick einer nach damaligen Begriffen im allgemeinen und in ökonomischer Hinsicht gut geordneten, vor grössern Excessen bewahrten klösterlichen Gemeinschaft, der es an tüchtig gebildeten und aszetisch strebsamen Gliedern nicht fehlte, die aber als Ganzes den idealen Forderungen der Benediktinerregel bei weitem nicht entsprach. Doch liess auch Abt Diethelm jüngere Stiftsmitglieder auswärts studieren, wie es Abt Kilian schon getan hatte. Am 6. Juni 1551 legte er auch den Grundstein zu einem neuen Bibliotheksgebäude, gleichsam ein Symbol des erwachenden geistigen Lebens an der uralten Kulturstätte. – Von seinen Konventualen wurde 1540 Markus Schenklin Abt von Fischingen; Peter Eichhorn 1550 Abt zu Wettingen.
Reich an Verdiensten starb Abt Diethelm am 18. Dezember 1564, gefeiert als der dritte Gründer St.Gallens.
Abt Diethelm war Besitzer nachfolgender Handschriften der Stiftsbibliothek: Nr. 16: Psalterium, geschrieben von Johann Haintzler anno 1446 für die St.Lorenzenkirche ; Nr. 351: Missale, 1527 von Fridolin Sicher für ihn geschrieben ; Nr. 357: Missale von 1555 mit dem Wappen des Abtes ; Nr. 442: Ordo ad faciendum catecuminum, ordo ad baptizandum etc., für Abt Diethelm geschrieben, mit seinem Wappen ; Nr. 476: Officia, geschrieben von Johann Landsperger anno 1550 für Abt Diethelm, mit dessen Wappen ; Nr. 542: Introitus ad missas, 1562 von H. Keller, Organist in St.Gallen, geschrieben, die Bilder von Kaspar Härteli aus Lindau; mit den Wappen der St.Galler Konventualen des XVI. Jahrhunderts ; Nr. 543: Antiphonae ad vesperas, Responsoria, Hymni etc. Geschrieben von H. Keller anno 1564. Musik wie in Nr. 542 von M.B. Lupus aus Correggio, den Abt Diethelm 1531 nach St.Gallen berufen hatte, um den vierstimmigen Gesang hier einzuführen. |
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