Reher, Pius (-09.12.1654) (Personen\St.Gallen, Äbte)

 

Grunddaten

ThesaurusPersonen
BezeichnungReher, Pius
Beschreibung
QuelleRudolf HENGGELER, Professbuch der fürstlichen Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1930 (Monasticon-Benedictinum Helvetiae 1).
 

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Todesdatum:09.12.1654
Biographie:Regierte vom 15. April 1630 bis zu seinem Tode, am 9. Dezember 1654.

Nachdem Abt Bernhard am 13. April 1630 resigniert hatte, fand zwei Tage später unter dem Vorsitz des päpstlichen Nuntius im Beisein der Äbte von Muri und Rheinau die Neuwahl statt, aus der der bisherige Subprior, P. Pius Reher, als Abt hervorging. Dieser liess sich der kriegerischen und unruhigen Zeiten wegen die feierliche Benediktion am 4. Mai 1631 durch den päpstlichen Nuntius zu Einsiedeln erteilen.

Die Regierung des neuen Abtes war gleich von Anfang an mit grossen Sorgen belastet. Die Toggenburger wollten, von den Zürchern ermutigt, die Huldigung nicht leisten und verstanden sich erst nach einigen Zusicherungen dazu. Im Rheintal ergaben sich besonders der Ehegerichtsbarkeit wegen mit den dortigen Reformierten langwierige Anstände. Obwohl die katholischen Orte den Abt auf einem Tage zu Frauenfeld (9. November 1630) schützten, nahm Zürich, durch den Waffenerfolg der heranziehenden Schweden ermutigt, die widerspenstigen Rheintaler in Schutz. Abt Pius dachte anfänglich daran, Zürich das alte Schutzbündnis aufzukünden, womit aber das Kapitel nicht einverstanden war. Da legten sich die Kantone, Bern, Basel, Freiburg und Solothurn ins Mittel, welche diese und andere Fragen entscheiden wollten, die zwischen Zürich und dem Abt, aber auch den katholischen Orten in der Schwebe waren. Diese sprachen 1632 den Zürchern die Ehegerichtsbarkeit zu, hoben zugleich in Religionssachen die Stimmenmehrheit, wie sie der Kappelerfriede angeordnet, auf, und verordneten, dass inskünftig in den gemeinen Vogteien alle Religionsstreitigkeiten durch gleichviele, von jeder Partei gewählte Schiedsrichter erledigt werden sollten. Der Abt wollte diesen Entscheid aber nicht annehmen, weshalb Zürich die st.gallischen Einkünfte in Stammheim und Hinwil mit Beschlag belegte. Dadurch, dass 1633 die Schweden sich den Grenzen näherten, traten diese Streitigkeiten etwas in den Hintergrund. Der Abt flüchtete damals Archiv und Kirchensilber zunächst nach Einsiedeln, später nach Schwyz und liess seine Kapitularen nach St.Johann gehen. Im ganzen Lande liess er Rüstungen treffen und versicherte sich auch der Hilfe, resp. Neutralität seiner Nachbarn. Obwohl der Abt General Horn, der von ihm die bestimmte Erklärung verlangte, ob er es mit den Schweden oder dem Kaiser halten wolle, antwortete, dass er ein Eidgenosse sei, plünderten doch die Schweden die Dörfer Romanshorn, Hagenwil und Sommeri. Da indessen die Zürcher, gerade in Hoffnung auf die Nähe der Schweden, den katholischen Orten und auch dem Abte gegenüber mit neuen Forderungen hervortraten, glaubten diese, Zürich stehe im geheimen Bunde mit den Schweden und wollten diese darum mit bewaffneter Hand vertreiben. Zürich suchte ein solches Vorgehen durch Verhandlungen zu vereiteln. Aber die katholischen Orte brachen trotzdem auf und rückten gegen Wil vor. Die Schweden drohten mit einem Überfall der äbtischen Lande, wenn der Abt den Orten den Durchzug gewähre. Er bat darum auch die katholischen Orte, davon abstehen zu wollen, erreichte aber nichts; erst als die Zürcher auch zu rüsten begannen und die Schweden wegen dem Vorrücken der Kaiserlichen die Belagerung von Konstanz aufgaben, kehrten sie wieder heim. An ihre Unkosten zahlte der Abt freiwillig 1000 fl. Auf Vermittlung des französischen Prinzen Rohan hob Zürich 1636 die Sperre über die Einkünfte zu Stammheim und Hinwil wieder auf. Im folgenden Jahre kam nach längern Verhandlungen zu Elgg ein Vertrag zustande, der die obschwebenden Fragen regelte. In Ehesachen sollten die Reformierten sich nach Zürich oder St.Gallen wenden können; die Prediger im Rheintal aber ernennt der Abt auf einen von Zürich gemachten Vorschlag hin.

Als die Schweden 1647 unter Wrangel sich wiederum der Schweizergrenze näherten, waren alle eidgenössischen Orte einig im Schutze der Grenzen; auch der Abt half mit. Die Erlaubnis zum Durchzug fremder Truppen gab indessen noch mehrfach Anlass zu beidseitigen Klagen. So liess der Abt im Dezember 1636 10'000 Spanier durch sein Gebiet nach dem Mailändischen ziehen, auch gestattete er 1637, 1638 und wiederum 1642 den Kaiserlichen den Durchzug. Hingegen verbot er den Durchmarsch, als die Venetianer ihre in Zürich und Bern zum Kampf gegen den Papst geworbenen Rekruten durchführen wollten.

Das Jahr 1648 brachte dem deutschen Reiche den Frieden und damit auch der Schweiz die Unabhängigkeit und Ruhe nach aussen; dafür setzten aber im Innern umso heftigere religiöse und soziale Streitigkeiten ein. Zürich arbeitete immer wieder darauf hin, den Reformierten in den gemeinen Vogteien und den katholischen Untertanenländern volle Glaubensfreiheit zu erzwingen. Die Lage spitzte sich in der Folge, nicht zuletzt wegen dem religiösen Hader in den äbtischen Landen, so zu, dass 1653 ein Krieg unvermeidlich schien; der Abt hatte nämlich 1652 den Prädikanten von Sitterdorf, weil er sich weigerte, während dem Angelusläuten den Hut abzunehmen, seiner Pfründe entsetzt, was gewaltig viel Staub aufwirbelte. Aber da brachen in Luzern, Bern und den anliegenden Gebieten die grossen Bauernunruhen aus, welche die Orte vollends in Anspruch nahmen. Es gelang dem Abte nicht bloss, jede derartige Bewegung in seinen Landen hintanzuhalten, er konnte auch Luzern 500 Mann zu Hilfe senden. Die Toggenburger wollten sich freilich nicht aufbieten lassen, was zur Folge hatte, dass die Frage, wann ein Landesherr sie aufbieten könne, genau geregelt wurde.

Neben diesem Handel liefen noch eine Reihe anderer her, so in Wildhaus wegen einem noch von Abt Bernhard in der dortigen Kirche aufgestellten Taufstein, wobei Schwyz und Glarus dem Abte halfen, die Angelegenheit zu erledigen. Grosse Unzufriedenheit rief in Zürich der Rückkauf der Burg Wengi durch den Abt (1661 um 23'000 fl.), welche die Zürcher und Schaffhauser erworben hatten, die aber der Abt für sich in Anspruch nahm, da ihm ein Recht darauf zustand. Auch mit der Stadt St.Gallen hatte sich im Laufe der Jahre wieder viel Stoff zu Hader und Streit aufgeschichtet. Ein Tag der vier Schirmorte zu Rapperswil brachte am 16. September 1650 eine für die Abtei günstige Lösung. Die Appenzeller machten Schwierigkeiten wegen einer Grenzregulierung und verlangten auch die Überlassung des Kollaturrechtes in Appenzell, was der Abt schliesslich für so lange zugab, als die Appenzeller katholisch bleiben würden. Auch das sonst treue Städtchen Wil wollte gewisse neue Rechte und Erleichterung; in drei Verträgen wurden die gegenseitigen Beziehungen geregelt (1650).

Bei allem lag dem Abte die Förderung der katholischen Interessen stets sehr am Herzen. Er sorgte für eine genaue Visitation der Pfarreien, was Konstanz 1635 und 1647 strittig machte; doch gelang es dem Abte, den bisher geübten Brauch, wonach nur St.Gallen visitierte, zu sichern. Abt Pius liess auch das Konkordat von 1613 im Drucke vervielfältigen. Den Seelsorgeklerus berief er mehrfach zu Konferenzen, deren Ergebnis, wie das der Visitationen, jeweilen gedruckt herausgegeben wurden. Das religiöse Leben förderte er vor allem durch die Einführung der Rosenkranzbruderschaft, zunächst in St.Gallen, wo er bei den Versammlungen oft selber predigte, dann aber auch in den einzelnen Pfarreien. Auch von den Prädikanten verlangte er, dass sie nach der Predigt den englischen Gruss beten mussten.

Im Kloster sorgte Abt Pius für genaue Regelzucht. Er liess 1641 den Choralgesang erneuern und führte auch den seit 1614 in Abgang gekommenen Brauch, nach der Komplet das «Media vita» zu singen, wieder ein.

Die Wissenschaft fand unter ihm eifrigste Pflege. Er erweiterte das Gymnasium in Rorschach durch Einführung der Philosophie und Theologie. Er konnte dies umso eher tun, als er einen tüchtigen Nachwuchs in Rom, Ingolstadt, Dillingen und Dôle hatte heranbilden lassen. Besonders wurden die juristischen Studien gepflegt, was bei den vielen Streithändeln dieser Zeit begreiflich ist, aber auch das Hebräische und die Mathematik wurden keineswegs vernachlässigt. P. Plazidus Bridler kam 1651 als Lehrer an die Benediktineruniversität Salzburg, mit der in der Folge St.Gallen eng verbunden blieb. Abt Pius trug sich mit dem Gedanken, in Rorschach ein Priesterseminar zu errichten, was aber der Schwedenkrieg vereitelte.

Die Bibliothek, zu deren Erweiterung er die Einkünfte der Kirchen von Goldach und Grub bestimmte, besass an ihm einen mächtigen Förderer. Er liess auch 1635 in St.Johann eine eigene Buchdruckerei errichten, die freilich bald nach St.Gallen selbst verlegt wurde. In der Klosterkirche erbaute er den prächtigen Hochaltar, zu dem Kardinal Francesco Barberini das schöne Hochaltargemälde stiftete, das heute noch den Hochaltar der Kathedrale ziert. Eine neue grosse Glocke wurde in Lindau gegossen. Die Kirche bereicherte er mit zahlreichen Reliquien. Mit besonderer Feierlichkeit wurden die von Papst Urban VIII. geschenkten Überreste des Katakombenheiligen Honoratus in die Klosterkirche übertragen (1. Mai 1643).

Die Schweizerische Benediktinerkongregation, deren erster Visitator er war, war nicht minder der Gegenstand seiner eifrigen Tätigkeit. Am 21. Juni 1644 errichtete Rom die sogen. Benediktiner-Mission, zu deren Präfekt Abt Pius bestellt wurde. Sie sollte, mit besondern Vollmachten ausgerüstet, sich vor allem um die Rückkehr der Häretiker bemühen. – Aber auch mit den Angelegenheiten der Klöster Fulda, Kempten, Hirschfeld, Reichenau und Salem hatte sich der Abt zum Teil in päpstlichem Auftrage zu befassen.

So kann es nicht wundern, dass sich Abt Pius grössten Ansehens erfreute. Die Päpste, wie ihre Nuntien, aber auch die Gesandten des Kaisers, Frankreichs und Spaniens, zollten ihm Aufmerksamkeit und Anerkennung. Für sich selber war er sehr einfach, anspruchslos und lebte überaus strenge. Er war ein grosser Liebhaber des hl. Altarssakramentes, vor dem er stets seine wichtigen Entschliessungen fasste. Auch zeichnete ihn eine besondere Liebe zu Maria aus. Noch als Abt war er schriftstellerisch tätig; eine Arbeit über das Leben des hl. Gallus blieb unvollendet. Seit 1650 fing er zu kränkeln an; bald stellte sich Wassersucht ein. Ein Aufenthalt in Wil, wo er noch den Grundstein zum dortigen Kapuzinerkloster legte, brachte die erhoffte Besserung nicht. Totkrank kehrte der Abt am 16. November 1654 nach St.Gallen zurück. Am 8. Dezember, dem Feste der Unbefleckten Empfängnis, das er in seinen Kirchen besonders feierlich begehen liess, las er die letzte hl. Messe, um schon am Tage darauf eines heiligmässigen Todes zu sterben.

«Pius Reher wird uns geschildert als ein Mann von mittlerer Statur, blassem, freundlichem Gesicht, milden Zügen, etwas abgehärmtem Aussehen, mit einer Adlernase. Seine körperliche Konstitution war gut, aber durch viele Arbeiten und Studien früh gebrochen. Weite, sehr lebhafte Augen gaben Zeugnis von einer feurigen Seele. Sein Geist war scharf, die Auffassungsgabe rasch; er hatte eine ausserordentliche Freude am Lesen, war der griechischen und italienischen Sprache mächtig, ein Redner von gewinnender Liebenswürdigkeit und hinreissender Kraft. Sein Grabmal schmückten die bezeichnenden Worte, die leider dem Zahne der Zeit längst erlegen sind: Magnificus, Doctus, Justus, Felix, Pius» (Scheiwiler).
Geographische Angaben:von Bleienried bei Weingarten