Sfondrati, Cölestin (-04.09.1696) (Personen\St.Gallen, Äbte)

 

Grunddaten

ThesaurusPersonen
BezeichnungSfondrati, Cölestin
Beschreibung
QuelleRudolf HENGGELER, Professbuch der fürstlichen Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1930 (Monasticon-Benedictinum Helvetiae 1).
 

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Todesdatum:04.09.1696
Biographie:Regierte vom 17. März 1687 bis zu seiner Resignation, am 10. Januar 1696. Er starb am 4. September 1696 als Kardinal in Rom.

Am 17. März 1687 gab das Kapitel dem verstorbenen Abt Gallus in Cölestin Sfondrati einen Nachfolger. Dieser war freilich nur mit Mühe zur Übernahme der neuen Würde zu bewegen; hatte er doch bereits alles versucht, um der kurz zuvor durch Innozenz XI. erfolgten Ernennung zum Bischof von Novara zu entgehen. Da der Papst ihm in der Folge die Wahl zwischen Novara und St.Gallen liess, wählte er das letztere.

Zu dieser unermüdlichen Tätigkeit gesellte sich das Leben eines Heiligen. Gegen sich war Cölestin äusserst strenge; Bussübungen, Fasten und Gebetseifer waren bei ihm in ausserordentlichem Masse vorhanden. Kein Wunder, wenn darum auch die klösterliche Disziplin unter ihm blühte, wie das geistliche und wissenschaftliche Leben des Stiftes überhaupt.

Für die religiösen Bedürfnisse des Landes war er ebenso besorgt, wie für dessen materielles Wohlergehen. Vom 8. bis 10. Mai 1690 hielt er in Rorschach eine allgemeine Synode seiner Geistlichkeit ab, an der 47 Priester teilnahmen, mit denen er den Stand der Pfarreien eingehend besprach und die nötigen Mittel zur Besserung beriet. Der Abt selber predigte oft und gerne, sowohl in der Stiftskirche, wie auch anderwärts. Die Gebeine des hl. Otmar liess er neu erheben und unter grosser Feierlichkeit wieder beisetzen. Die St. Otmarskirche wurde durch ihn glänzend restauriert.

In seinen Landen sorgte er vor allem für strenge, aber gerechte Gerichtspflege. Armen und Hilfsbedürftigen war er ein überaus milder Vater. Seine Güte war unerschöpflich, als von 1689 bis 1694 mehrere Missjahre folgten, die eine Hungersnot herbeiführten. Oft kamen 2000-3000 Notleidende an einem Tag nach St.Gallen, sodass er sich gezwungen sah, die Liebestätigkeit zu organisieren, indem er die Pfarrherren anwies, den Hungernden nachzugehen und ihnen Getreide zu verschaffen; er liess solches unter grossen Kosten aus dem Mailändischen kommen. Auch Holz und Kleider liess er zur Winterszeit austeilen.

Wohl blieben auch Abt Cölestin Händel und Streitigkeiten nicht erspart. In Landeshofmeister Baron Fidel von Thurn besass er zwar einen sehr gewandten Staatsmann, doch überliess er sich dessen Führung nicht so stark wie sein Vorgänger. Als Cölestin die Regierung antrat, war gerade der Toggenburger Landrechthandel in der Schwebe. Die Schwyzer, empört darüber, dass Abt Gallus nicht mehr einen der ihrigen zum Landvogte ernannte, hatten verlangt, dass ihr Landrecht mit dem Toggenburg innert kurzer Frist erneuert würde, um so dem Abte Ungelegenheiten zu schaffen. Abt Augustin Reding von Einsiedeln brachte 1687 noch einen Ausgleich zustande.

Schlimmer waren die Verwicklungen mit Frankreich, das durch die Politik Thurns der Abtei ganz entfremdet worden war. Die Wahl Cölestins, dessen Werk gegen den Gallikanismus («Regale Sacerdotum») dort grösste Aufregung verursacht hatte, war nicht dazu angetan, die Lage zu verbessern, zumal durch die nachfolgenden Schriften Sfondratis die Beziehungen noch mehr getrübt wurden. Neuerdings arbeitete der französische Gesandte darauf hin, die äbtischen Abgeordneten von der Tagsatzung auszuschliessen. Den aus St.Gallen stammenden Dekan von Murbach, P. Antonin von Beroldingen, liess Frankreich militärisch aus dem Elsass entfernen. St.Gallen schloss sich vollends Frankreichs Feinden an, als diese 1690 in Lindau den Kampf gegen Frankreich berieten. Zu den von der Tagsatzung bewilligten zwei Regimentern liess der Abt zwei Kompanien stossen. Doch half der Abt anderseits mit, durch Grenzbesetzung Gebietsverletzungen der Schweiz zu verhindern. – Den Venetianern erlaubte der Abt 1688 zum Kampf gegen die Türken in Morea 218 Mann anzuwerben; von diesen kehrten kaum 20 Mann in die Heimat zurück.

Die guten Beziehungen zum Kaiser vermochten allerdings nicht zu verhindern, dass St.Gallen unter der gegen die Schweiz verhängte Früchtesperre – da einige Orte der Schweiz den Franzosen neue Werbungen erlaubt hatten – sehr litt. Nur in einzelnen Fällen erreichte er die Einfuhrbewilligung von Getreide aus Deutschland. Die Hoffnungen auf den Kaiser wurden 1694 auch darin getäuscht, dass es dem Abte nicht gelang, den uralten Klosterbesitz in Massin in der Lombardei wieder an das Stift zu bringen, trotzdem Cölestin persönlich, wenn auch inkognito, nach Mailand ging; man vermochte die nötigen Beweise nicht aufzubringen.

Um die Stellung St.Gallens zu festigen, suchte Thurn 1692 ein Bündnis mit Bern, das zu Österreich hielt, in die Wege zu leiten; der bald darauf entstandene Wartauerhandel, um dessen Beilegung sich übrigens Thurn sehr verdient machte, vereitelte diese Bemühungen. Immer wieder trat die feindselige Haltung der Reformierten, in erster Linie der Zürcher zu Tage, und der scharfblickende Abt erkannte wohl, dass eine kriegerische Auseinandersetzung nur eine Frage der Zeit sein könne. Er riet darum den katholischen Orten zu rüsten. In einer Zusammenkunft in Wil wurde 1695 ein Verteidigungsplan, der in erster Linie den Thurgau und das Toggenburg betraf, durchberaten. Der Abt versprach nicht bloss seine Mitwirkung, sondern legte auch einen Kriegsfond an, liess die Truppen mustern und versah das Land mit dem nötigen Kriegsmaterial. Er trug sich auch bereits mit dem Gedanken, eine Strasse über den Hummelwald und den Ricken zu bauen, um so eine bessere Verbindung mit den Schwyzern und den katholischen Orten überhaupt herzustellen. Der ganze Plan wurde allerdings den Zürchern verraten und scheiterte zum grossen Schaden der katholischen Sache; denn die Zukunft zeigte nur allzudeutlich, wie richtig Sfondrati den unausweichlichen Konflikt hatte heraufkommen sehen.

Die hohen Fähigkeiten des Abtes, wie seine aussergewöhnlichen Tugenden, aber auch die grossen Verdienste, die er sich um den päpstlichen Stuhl erworben, und nicht zuletzt die hohe Abkunft und einflussreiche Verwandtschaft Sfondratis hatten die Päpste längst auf ihn aufmerksam gemacht. Schon Innozenz XI. wollte ihn zum Kardinal erheben. Bei der Papstwahl des Jahres 1591 hatte er drei Stimmen auf sich vereinigt, obwohl er damals noch einfacher Abt von St.Gallen war; auch bei einer Bischofswahl in Chur fielen fünf Stimmen auf ihn. Innozenz XII. nun erhob Sfondrati am 12. Dezember 1695 zum Kardinal. Die Freude war allerwärts sehr gross; alle Mächte gratulierten, nur Frankreich nicht. Der Konvent wünschte, er möchte die Abtei beibehalten, doch der Abt belehrte die Seinen, dass dies für das Kloster nur nachteilig sein könnte. So resignierte er am 10. Januar 1696 auf die Abtei, und zwar ohne jeden Vorbehalt. Freilich musste er alsbald die finanzielle Hilfe St.Gallens in sehr weitgehendem Masse in Anspruch nehmen, da ihm vorerst anderweitige Einkünfte fehlten. St.Gallen sollte erfahren, dass es keine Kleinigkeit sei, einen Kardinal zu stellen; wenn Cölestin auch nach wie vor in seinem Auftreten sehr einfach war, musste er doch für die wenigen Monate von St.Gallen 34'558 fl. aufnehmen, für die nur 10'000 fl. zurückkamen.

Am 11. Januar 1696 nahm Sfondrati offiziellen Abschied von seinem Kloster und Lande und verliess tags darauf St.Gallen, um die Reise nach Rom anzutreten, wo er am 9. Februar eintraf. Zwei Patres, Hermann Schenk und Dominik Ritter, begleiteten ihn. Der Papst nahm den neuen Purpurträger sehr freundlich auf und berief ihn alsbald in sieben Kardinalskommissionen, sodass Sfondrati auch in Rom stark in Anspruch genommen war. Dazu kamen die Einflüsse des römischen Klimas, dem die Gesundheit des Kardinals nicht gewachsen war. Schon im Mai erkrankte er schwer. Lange Zeit schwebte er zwischen Leben und Tod, bis endlich am 4. September 1696 die Erlösung erfolgte. Seine sterbliche Hülle fand in seiner Titelkirche St. Cäcilia ihre letzte Ruhestätte. Dort erinnert heute noch die Inschrift: «D.O.M. Hic jacet Cölestinus, Tit. S. Cäciliae S.R.E. Presb. Cardinalis Sfondratus Mediolanensis, Gregorii PP. abnepos, ex principe Abbate S. Monasterii S.G. ordinis S. Benedicti nullius Diocesis, Provinciae Mogunti. Cardinalis renuntiatus ab Innocentio XII. Pont. Max. Pridie Idus Decembris MDCXCVI Vixit annos LII, Mens. VII. dies XXV, obiit pridie nonas Septembr. MDCXCVI» an den grossen Gelehrten und heiligmässigen Kirchenfürsten. Seine Bibliothek, wie seine Schriften und sein Herz vermachte er St.Gallen, zugleich mit den erwähnten 10'000 Gl. für die gehabten Unkosten. P. Hermann Schenk brachte sein Herz am 1. Dezember 1696 nach Sankt Gallen, wo es mit grosser Feierlichkeit in der Stiftskirche beigesetzt wurde. Noch heute meldet dort ein Epitaph die Verdienste Sfondratis: «Hic requiescit Cor Cölestini Sfondrati S.R.I. Princip. Abbat. S. Galli, S.R.E. Cardinalis Presbyt. Tit. S. Caeciliae Cui avorum gloria, Propria virtute, Libris editis, Clarissimo de Deo, Ecclesia, Monasterio Scriptis et Gestis optime merito sed praematuris Fatis Ao MDCXCVI Die IV. Septembr. Aetatis LIII. Exspectationi Urbis et Orbis erepto hoc gratae memoriae Monumentum in hac nova Basilica Beda princeps posuit.» Das von Abt Leodegar ihm errichtete Denkmal war während des Toggenburger Krieges geöffnet und das Herz herausgerissen worden; doch kam letzteres wieder zurück.

Fügen wir dem Gesagten noch das Urteil eines der besten Biographen, den Sfondrati bis dahin gefunden, bei: «Sfondrati gehört, wie wir ihn kennen gelernt, zweifelsohne zu den edelsten Gestalten unserer vaterländischen Geschichte. Als Mönch ein heiligmässiger Ascet; als Abt und Regent ein Vater seiner Untertanen; als deutscher Reichsfürst in gefahrvoll-schwierigen Zeiten ein Anhänger des Kaisers, von geringer Macht, aber makelloser Treue; als Theologe ein nicht minder treuer Vorkämpfer der päpstlichen Autorität. So steht er vor uns, eine vielseitige Erscheinung und von allen Seiten edel und liebenswürdig» (Eisenring).
Schriften:Cölestin war – wie seine Vergangenheit es ja nicht anders erwarten liess – vor allem Gelehrter und Geistesmann. Er setzte darum auch als Abt seine schriftstellerische Tätigkeit fort. Sein Werk «Regale sacerdotium Romano Pontifici assertum», 1684 unter dem Pseudonim Eugenius Lombardus erschienen, hatte besonders in Frankreich grosses Aufsehen und nicht geringen Widerspruch hervorgerufen. Als Antwort an seine Gegner erschien noch 1687 die «Gallia vindicata» und etwas später der «Tractatus de Regalia». Mit einem durch den französischen Gesandten in Rom herbeigeführten Zwischenfall befasst sich das 1688 erschienene Werk «Legatio marchionis Lavardini». Fortan nahmen freilich die Leitung der Abtei und des Landes den Abt allzusehr in Anspruch. Doch konnte er 1692 eine grössere Arbeit über den Nepotismus erscheinen lassen, der einige kleinere Schriften über die Kindertaufe und 1695 ein Werk über die Unbefleckte Empfängnis folgten («Innocentia vindicata»). Im Jahre, als er St.Gallen verliess (1696), erschien noch sein «Cursus philosophicus», der lange Zeit die Grundlage des Philosophiestudiums in St.Gallen bildete und mehrfach bearbeitet und neu herausgegeben wurde. Eine Arbeit über die Prädestinationslehre konnte der gelehrte Mann nicht mehr fertig stellen («Nodus praedestinationis dissolutus»); andere besorgten die Herausgabe (1697), die aber fehlerhaft ausfiel und französischen Gelehrten, darunter auch Bossuet, Anlass bot, die Rechtgläubigkeit des Prälaten zu verdächtigen. Dabei spielte die Feindschaft der Gallikaner aber die Hauptrolle, der es weniger darauf ankam, wirkliche Irrtümer, als vielmehr diesen grossen Gegner der französischen Kirchenpolitik zu bekämpfen. – Die universelle Bildung kam dem Abte sehr zugute; er sprach italienisch, deutsch und lateinisch, verstand daneben französisch und griechisch. Sein Briefwechsel, den er mit den meisten Höfen Europas zu führen hatte, stellte nicht geringe Anforderungen an ihn. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten musste er meist die Nacht zu Hilfe nehmen.
Geographische Angaben:aus Mailand