von Rudolphi, Joseph (-07.03.1740) (Personen\St.Gallen, Äbte)

 

Grunddaten

ThesaurusPersonen
Bezeichnungvon Rudolphi, Joseph
Beschreibung
QuelleRudolf HENGGELER, Professbuch der fürstlichen Benediktinerabtei der Heiligen Gallus und Otmar zu St.Gallen, Zug 1930 (Monasticon-Benedictinum Helvetiae 1).
 

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Todesdatum:07.03.1740
Biographie:Regierte vom 16. Dezember 1717 bis zu seinem Tode, am 7. März 1740.

In Neu-Ravensburg versammelte sich am 16. Dezember 1717 das Kapitel zu einer Neuwahl, aus der der bisherige Subprior, P. Josef von Rudolfis, als Abt hervorging. Die Kapitularen hatten versucht, um ähnlichen Vorkommnissen wie unter Abt Leodegar eher vorzubeugen und die Rechte des Kapitels besser wahren zu können, eine Art Wahlkapitulation aufzustellen. Da aber eine solche kirchenrechtlich unzulässig, so begnügten sie sich, dem neugewählten Abte eine Bittschrift von 18 Punkten vorzulegen, an die er sich im Interesse des Friedens und der Ordnung halten möchte. Die feierliche Benediktion konnte der Umstände halber erst am 24. Juni 1721 in St.Gallen stattfinden.

Der neue Abt, der schon 1714 für den Abschluss des Friedens gewesen war, nahm die durch Bern noch unter seinem Vorgänger angeknüpften Verhandlungen sogleich auf. Schon am 1. Januar 1718 begann man damit, wobei Zürich, das über das selbständige Vorgehen Berns sehr ungehalten war, grosse Schwierigkeiten machte. Namentlich wollte es den Toggenburgern weitgehende Rechte sichern. Daher kam es im April soweit, dass die Unterhandlungen abgebrochen wurden. Da aber der Kaiser, der eben die Türken besiegte, Zürich gegenüber eine drohende Haltung einzunehmen anfing und Bern unter dem Einfluss des St.Gallen sehr gewogenen Schultheissen Willadin Miene machte, eigenmächtig vorzugehen, musste Zürich wieder einlenken, sodass am 1. Mai die Konferenzen wieder aufgenommen wurden. Am 15. Juni kam endlich der 84 Punkte umfassende Friedensvertrag zustande. Das Stift erhielt alles Verlorene wieder zurück, musste aber den Toggenburgern sehr weit entgegenkommen, so dass diese die meisten ihrer alten Forderungen erfüllt sahen. Die Führer waren daselbst trotzdem nicht zufrieden; aber das Volk war froh, endlich wieder einmal geordnete Zustände zu haben. Für die reformierten Untertanen im Thurgau und im Rheintal sollten die Bestimmungen des 1712 geschlossenen Landfriedens gelten. Die Stadt St.Gallen und Appenzell erhielten einige rechtliche Zugeständnisse, mussten aber auf den erhofften Gebietszuwachs verzichten.

Als Reichsstand unterbreitete der Abt den Friedensvertrag vor dessen Ratifikation dem Kaiserhof. Während der Reichshofrat dagegen war, glaubte der Staatsrat, es dem Abte überlassen zu können, ob er den Vertrag annehmen wollte oder nicht. So unterzeichneten denn Abt und Kapitel am 5. August 1718 den Vertrag, obwohl der päpstliche Nuntius, der Bischof von Konstanz und die katholischen Orte, nicht zuletzt die mit dem Toggenburg verbundenen Schwyzer und Glarner, deren Rechte zu Gunsten der Zürcher und Berner stark verkürzt wurden, dagegen waren. Auch der Papst, Clemens XI., verwarf den Vertrag, weil er der katholischen Religion zu nachteilig schien; aber das änderte am Tatbestand nichts mehr.

Am 7. September kam Abt Josef nach Rorschach und tags darauf nach Wil, überall mit grösster Freude empfangen. Auch die Stadt St.Gallen bereitete ihm einen glänzenden Empfang, als er am 11. Oktober in das Kloster zurückkehrte, das allerdings noch in einem trostlosen Zustande sich befand. Die Wohnräume wurden notdürftig wieder hergestellt und am Vorabend des St.Gallusfestes begann man wieder mit der geregelten klösterlichen Tagesordnung. Am Feste selbst fand unter ungeheuerm Zulaufe des Volkes ein Dankgottesdienst statt.

Nun galt es, den innern und äussern Wiederaufbau des Klosters und Staates an die Hand zu nehmen. Dieser wurde freilich dem Abt sehr erschwert durch die immer wieder auftretenden politischen Unruhen, zu denen nicht selten der Friedensvertrag von 1718 resp. dessen Auslegung Anlass gab. Vor allem war es immer wieder das Toggenburg, in dem es nie ruhig werden wollte. «Mit den unglückseligen Toggenburgern in Ruhe zu leben ist es eine Unmöglichkeit,» bemerkte der Abt einmal im Tagebuch. Zürich steckte immer wieder hinter ihnen, so dass sie es wagen konnten, der Regierung ein Recht um das andere streitig zu machen. Den Friedensvertrag deuteten sie ganz willkürlich, sodass der Abt schon ein Jahr nach dessen Abschluss sich an Zürich und Bern wenden musste. Der Umstand, dass der Abt den Wünschen des Volkes nachkommend, die Beamten aus einsässigen Familien bestellte, hatte nur zur Folge, dass innere Zwiste und Streitigkeiten sich mehrten. Als der Abt von den schlimmsten Wühlern zu Beamten annahm, Nikolaus Rüdlinger und J. C. Keller, da wandte sich bald der Hass des Volkes gegen diese. Sie mussten ausser Landes fliehen und wurden ihrer Rechte beraubt; auch andere Beamten wurden von der aufgehetzten Volksmenge abgesetzt. Es gelang den erbitterten Landsleuten, Rüdlinger und Keller bei einer heimlichen Zusammenkunft nahe der Appenzellergrenze abzufangen, und am 8. Dezember 1735 wurden die beiden auf eine bestialische Weise ermordet. Diese Vorkommnisse erregten weit über die Schweizergrenzen hinaus Aufsehen. Bern und Zürich suchten zu vermitteln, doch war es ihnen nicht so ernst dabei. So kam es auch, dass die Mörder der beiden unglücklichen Männer sehr glimpflich wegkamen. Schliesslich sollte ein Schiedsgericht aus sechs eidgenössischen Orten, wie es der Friede von 1718 vorsah, die entstandenen Zwistigkeiten regeln. Das Stift betraute seinerseits Luzern, Schwyz und Glarus mit diesem Amte, während die Toggenburger Zürich, Bern und Schaffhausen wählten. Ende 1738 begannen die Verhandlungen, die aber nicht weit gediehen. Der Abt, der einsah, dass er weder von dieser Seite, noch von der Tagsatzung viel erhoffen könne, wandte sich an Frankreich, dessen Vertreter in der Schweiz ihm den Rat gab, das Geschäft in die Länge zu ziehen; mit der Zeit werde sich für das Stift sicher eine günstigere Lösung finden lassen, als es sie heute finden könnte. Diesen Rat befolgten sowohl Abt Josef, als auch sein Nachfolger; denn Abt Josef sollte das Ende dieses Handels nicht mehr erleben.

In der Alten Landschaft war die Freude über die Rückkehr des Abtes nicht von langer Dauer, da dem Lande die Bezahlung der aufgelaufenen Kriegskosten auferlegt wurde. Durch Bestrafung der Unruhestifter gelang es aber, den Widerstand zu brechen. Auch hier mussten Zürich und Bern eingreifen und die angefochtenen Bestimmungen des Friedensvertrages klar legen. Ganz ins Reine kam die Angelegenheit erst 1753, nachdem die Stadt Wil mit ihren weitgehenden Ansprüchen durch die Schirmorte abgewiesen worden war. Auch mit der Stadt St.Gallen setzte es wegen der Auslegung des Friedensinstrumentes einige Anstände ab, desgleichen im Rheintal. Mit den Appenzellern waren gewisse Zollfragen zu regeln.

Mit der Stadt St.Gallen gestaltete sich übrigens unter Abt Josef das Verhältnis sehr gut. Auch zu den Eidgenossen stand er auf recht freundschaftlichem Fusse, wenn er auch nicht allzu viel von ihnen erhoffte. In der auswärtigen Politik vollzog sich insofern eine bedeutende Wendung, als der Abt 1731 nach langen Beratungen das von Abt Gallus II. 1663 mit Frankreich geschlossene Bündnis erneuerte. Baron von Thurn, der auf die Politik der St.Galler Äbte einen so verhängnisvollen Einfluss ausgeübt hatte, war am 10. März 1719 90 Jahre alt gestorben, nachdem er 72 Jahre im Dienste der Abtei gestanden hatte. Zum Kaiserhause unterhielt man die althergebrachten offiziellen Beziehungen.

Trotz diesen beständigen Schwierigkeiten im Lande liess Abt Josef doch keinen Augenblick dessen Wohl aus dem Auge. Schon 1718 suchte er durch eine Konferenz mit den umliegenden regierenden Orten das zerfahrene Münzwesen zu ordnen und die «Valuta» zu sichern. Als 1720 eine pestartige Krankheit im Anzug war, gelang es ihm, durch strenge Sicherheitsmassregeln diese fernzuhalten. Dem überhandnehmenden Luxus suchte er durch stramme Mandate zu begegnen. Als 1738/39 infolge Misswachs grosse Not um sich griff, war er sehr bemüht, ihr zu steuern. Um Handel und Gewerbe zu heben, hielt er am 11. März 1739 persönlich in Rorschach mit den verschiedenen Wirtschaftsgruppen eine Konferenz ab, um ihre Anliegen, Wünsche und Vorschläge kennen zu lernen. Auch das Militärwesen reorganisierte er. Die Alte Landschaft zählte damals 12'000, das Toggenburg 11-12'000 Waffenfähige. Es ward eine neue Milizordnung geschaffen, die Ausrüstung und Bewaffnung wurden erneuert. Auch das Schützenwesen fand eifrige Pflege.

Naturgemäss waren es aber besonders die religiösen Verhältnisse, die den Abt sehr beschäftigten. Er nahm selber mehrfach Visitationen der Pfarreien vor oder liess solche durch den Offizialen vornehmen. Der Ausbildung des Klerus wandte er eine besondere Aufmerksamkeit zu, wie auch dessen sittlichem und religiösem Leben. Wie er selbst jedes Jahr 10 Tage Exerzitien machte, so wollte er auch, dass seine Ordens- und Weltgeistlichen jährlich wenigstens drei Tage sich den Geistesübungen unterzögen. Durch die Jesuiten liess er grosse Volksmissionen in Lichtensteig, Kirchberg, Gossau und Rorschach abhalten. In Andwil, Niederwil, Lenggenwil und Kriesern wurden eigene Pfarreien geschaffen; in Peterzell, Gossau, Andwil, Niederwil und Hagenwil entstanden neue Pfarrkirchen. Den St. Josefstag führte der Abt als Feiertag für sein Gebiet ein (1737); ebenso liess er die Skapulierbruderschaft errichten (1732). Am 8. und 9. Mai 1737 hielt er mit seinem Klerus in St.Gallen eine Synode ab, um so das religiöse Leben allenthalben zu ordnen und zu fördern. Gegen Ende seiner Regierung sollte er allerdings noch in einen sehr unliebsamen Konflikt mit der Konstanzer Kurie verwickelt werden, der aber erst unter seinem Nachfolger nach langen Verhandlungen zum Austrag gelangte.

Der materielle Wiederaufbau des Stiftes beanspruchte sodann den Abt nicht weniger als dessen geistiger Ausbau. Eine Zeitlang mag Abt Josef daran gedacht haben, überhaupt einen neuen Stiftsbau auszuführen. Er liess durch Bruder Kaspar Mosbrugger in Einsiedeln (1723) Pläne für einen neuen Kloster- und Kirchenbau entwerfen, kam aber nicht dazu, sie in Wirklichkeit umzusetzen. Wohl aber gelang es ihm verhältnismässig rasch, das finanzielle Gleichgewicht wieder herzustellen. Schon nach fünf Jahren hatte er 10'000 fl. vorgeschlagen. Wie er für die Regierung des Landes und für die damit betrauten Beamten genaue Vorschriften gab, so auch für die Verwalter der Stiftsgüter, besonders für die Statthalter. Durch weise Sparsamkeit wurde es ihm möglich, da und dort Geld auszuleihen und seinem Nachfolger einen schönen Fond zu hinterlassen. Die Schulden trug er allerdings nicht alle ab, da er der Ansicht war, das Stift müsse stets auch eine gewisse Summe Schulden haben, dem aber ein grösserer Kapitalposten gegenüber zu stehen habe.

Viele Mühe kostete es, von Zürich und Bern die 1712 geraubten Schätze des Archivs und der Bibliothek, wie auch die Glocken zurückzuerhalten. Erst 1720 kamen diese Sachen in der Hauptsache zurück; die Zürcher behielten eine Anzahl Handschriften und die von ihnen beanspruchten Glocken zurück. Die Ausschmückung des Gotteshauses, das Abt Josef mit neuen Altären, kostbaren Geräten und vor allem mit vielen Reliquien zierte, war eine der vornehmsten Sorgen des Abtes nach der Heimkehr aus dem Exil.

Für die Schulen und das wissenschaftliche Leben überhaupt interessierte sich der Abt nicht weniger. Die Klosterschule wurde schon am 27. Mai 1719 mit 10 Knaben wieder eröffnet. Die Philosophie des Kardinals Sfondrati liess er neu bearbeiten und herausgeben. An der theologischen Hausanstalt finden wir Fratres aus Villingen, Fulda, Kempten und Regensburg. Der Abt besuchte fleissig die Examen, liess auch feierliche Disputationen abhalten; auch wurde die alte Sitte der Schulkomödien wieder aufgenommen. Zwei Patres liess er eigens in Rom für das Kirchenrecht ausbilden. Auch in den untergebenen Gebieten förderte er das Schulwesen, wo immer sich Gelegenheit bot; er liess junge Theologen in Mailand, Juristen in Turin, Mediziner in Frankreich ausbilden.

Die Aufrechterhaltung der klösterlichen Disziplin war nach den Jahren des Exils, wo ein gemeinschaftliches Leben nicht möglich gewesen war, eine Herzenssache des Abtes. Umso grösser war der Schmerz, als 1738 P. Edmund Weider das Kloster verliess, nach Zürich ging und Prädikant in Horgen wurde. Der Abt und auch sein Nachfolger versuchten alles, ihn zurückzubringen. Es war umsonst. Der Unglückliche starb 1748 in Horgen; das einzige Beispiel seit der Reformation, dass ein Klostermitglied dauernd seinem Berufe untreu wurde.

Wie sehr dem Abte die Förderung klösterlicher Disziplin, für die er auch als Visitator in den andern Klöstern der schweizerischen Benediktiner-kongregation treu besorgt war, am Herzen lag, erhellt auch daraus, dass er in den verschiedenen Frauenklöstern seines Gebietes durch die heiligmässige Priorin Josepha von Rottenberg in Sankt Katharinental bei Diessenhofen sowohl Klausur, als auch Reform durchführen liess.

Abt Josef war stets von schwächlicher Gesundheit gewesen. Mehrfach bangte man für sein Leben, so 1728 und wieder 1730. Seit 1739 setzte sich ein heftiger Lungenkatarrh fest, der am 7. März 1740 das Ende des hochverdienten Prälaten herbeiführte. Er fand als letzter sein Grab in der alten Münsterkirche.
Geographische Angaben:aus Laibach in Krain